|
Liebe Besucher dieser Homepage!
Auf den hier folgenden Seiten, ganz
konkret unter dem Button “Erinnerungen”, wird ein
besonderes Kapitel
bundesdeutscher Geschichte dokumentiert. Diese Homepage
dokumentiert einen Teil Kirchengeschichte und einen Teil
Heimgeschichte. Sie dokumentiert einen Zeitraum zwischen etwa
1947 und 1967. Es
ist ein Zeitraum, den viele Menschen, die mit dieser Zeit
nicht konfrontiert werden möchten, gern in die Nachkriegszeit
verschieben wollen und damit eine Rechtfertigung suchen, die
den Tenor hat:
„Damals, - nach dem Krieg war es eben so“.
Auf dieser Homepage werden
Verbrechen dokumentiert. Verbrechen an Kindern. Und, was ganz
besonders schlimm
ist, Verbrechen an den Hilflosesten von ihnen, nämlich an
körper- und geistigbehinderten Kleinkindern und Kindern.
Wenn es Ihre Nerven nicht zulassen,
dann brechen Sie an dieser Stelle einfach ab.
Ort des Geschehens sind die
damaligen Orthopädischen Heil-, Lehr- und Pflegeanstalten in
Volmarstein. Dies
ist ein Ort auf einem Hügel an der Ruhr, heute ein Vorort der
Stadt Wetter.
Fünfzig Jahre vor diesen Verbrechen
meinte ein Pastor, der eine behinderte Tochter hatte, etwas
Gutes für die
Menschheit tun zu müssen und gründete hoch oben auf diesem
Hügel die sogenannten Krüppelanstalten Volmarstein. Wie oben
schon erwähnt, wurden daraus die Orthopädischen Heil-, Lehr-
und
Pflegeanstalten. Im ersten Haus dieser Anstalten - quasi das
zweite Haus des Anstaltsgründers - im Johanna-Helenen-Haus
befand und befindet sich auch heute noch eine Etage für
behinderte Kinder.
Diese Etage war aufgeteilt in drei Zonen: Ein Trakt für
behinderte Mädchen, ein Trakt für behinderte Jungen und ein
Trakt für behinderte Kleinkinder gemischten Geschlechtes.
Auf dieser Etage und in den drei
Klassenräumen zwei Etagen tiefer haben sich in den Jahren von
1947 bis etwa 1969
unheimliche Gewaltorgien an Kindern abgespielt. Etwa vierzig
bis sechzig Kinder haben alle Facetten der Gewalt erlebt. An
ihnen wurde physische, aber auch psychische und auch, was sich
erst in dem
letzten Jahr herausgestellt hat, sexuelle Gewalt ausgeübt. Die
Akte der Gewalt finden Sie auf den nachfolgenden Seiten
aufgeführt.
Es sind mehrere Gründe, die uns
veranlaßt haben, diese Homepage zu erstellen. Lassen Sie uns
zunächst bemerken:
Mit „uns“ ist die „Freie Arbeitsgruppe JHH 2006“ genannt,
wobei JHH den Namen des Hauses meint, in dem die meisten
Verbrechen stattgefunden haben, nämlich im Johanna-
Helenen–Heim.
Eines Tages klingelte das Telefon
und der Webmaster dieser Homepage, ich, Helmut Jacob, selbst
ein JHH-Kind aus
damaliger Zeit, erhielt einen Hinweis auf ein Buch des
Spiegel-Redakteurs und Autors Peter Wensierski. Es trägt den
Namen „Schläge im Namen des Herrn“ und schildert Zustände in
Heimen der
evangelischen und katholischen Kirche und staatlicher
Einrichtungen. Hier handelt es sich allerdings um
Erziehungsheime. Der Anrufer sagte: „So etwas ähnliches ist
doch bei euch auch
passiert. Willst du nicht darauf reagieren?“ Nun abonniere ich
die Zeitung nicht, in der die Buchbesprechung zu lesen war.
Darum sagte der Anrufer mir zu, mir diese Wochenzeitung
„Unsere Kirche“
zuzusenden. Als ich sie erhielt, hatte ich wenig Lust, auf
diese Buchbesprechung zu reagieren. Schließlich wurde ich
plötzlich wieder mit meiner Vergangenheit vor vierzig bis
fünfzig Jahren
konfrontiert. Ich hatte gedacht, unter diese Vergangenheit
einen Schlußstrich gezogen zu haben. Erinnerungen kamen hoch.
Erinnerungen, die weh taten, Erinnerungen, die ich ad acta
gelegt hatte. Im
Rahmen der Verarbeitung dieser Erinnerungen in den Folgetagen
wurde ich sehr aggressiv, weil ich erkannte, daß an uns
damaligen Kindern ungeheure Verbrechen verübt wurden. Ich
schrieb also einen
bewußt wütend formulierten Leserbrief zu dieser
Buchbesprechung. Damit, so hoffte ich, ist das Kapitel
erledigt und ich könnte mich wieder meinen Alltagsgeschäften
zuwenden.
Es folgte ein Leserbrief von D.
Ulrich Bach, Pastor i. R., der auch in dieser Anstalt tätig
war, und ein
freundlich gehaltener Brief des Anstaltsleiters bis Ende 2006,
Ernst Springer, der mir seine Anteilnahme zusicherte. Jäh aus
meinem Dasein wurde ich gerissen, als ich hörte, daß eine
ehemalige Mitschülerin,
Marianne Behrs, schilderte, wie sie die Wochenzeitung “Unsere
Kirche“ mit zu ihrem Arzt genommen hatte, um in der Wartezeit
etwas zum Lesen zu haben und wie sie meinen
Leserbrief las und angesichts der
Erinnerungen, die in ihr hochkamen, in der Arztpraxis
zusammengebrochen ist. Der Arzt mußte ihr - wenn man das so
ausdrücken will - „Erste –Hilfe“ leisten und
sie wieder auf die Beine stellen.
Danach erhielt ich ihre
Kindheitserinnerungen, die sie vor etlichen Jahren einmal
geschrieben hatte.
Ich habe diese Kindheitserinnerungen bestimmt über zehnmal
gelesen und war und bin immer noch erschüttert über das Leiden
dieses damals kleinen Mädchens, von dem ich nie so direkt
erfahren habe, wie
aus diesem Bericht. Vieles, was sie schildert, habe ich
einfach nicht mitbekommen. Diese Kindheitserinnerungen und
quasi als Kontrastprogramm der Leserbrief von Ernst
Springer, zu der
Zeit noch Anstaltsleiter, in „Unsere Kirche”, der so gar nicht
zu seinem warmherzigen Brief paßt, den er mir persönlich
geschickt hatte (Sie finden ihn auf den unteren Buttons dieser
Homepage), haben
mich letztendlich gezwungen, mich mit der Vergangenheit zu
beschäftigen.
Dann ging es Schlag auf Schlag. Ein
Leserbrief nach dem anderen folgte in „Unsere Kirche“.
Auch die Tageszeitung
„Westfälische Rundschau“, Lokalredaktion Wetter, interessierte
sich für diese Vergangenheit. Und andere Behinderte meldeten
sich.
So haben wir im August 2006 die
„Freie Arbeitsgruppe JHH 2006“ gegründet. Namensgeber ist
D. Ulrich Bach,
verstorben am 8. März 2009.
Zu ihr gehören fünf Betroffene, nämlich Wolfgang
Möckel, der heute in Holland lebt, Klaus Dickneite, Horst
Moretto, Marianne Behrs und der Unterzeichner. Vier ehemalige
Mitarbeiter, nämlich Diakon Jochen Twer und Diakon Eberhard
Flügge, die damals Diakonenschüler im JHH waren, Christel
Flügge, damals Diakonische Helferin im JHH und zu Lebzeiten D.
Ulrich Bach, Seelsorger, Theologe, der während dieser Zeit bis
etwa 1996 Seelsorger in den damaligen Orthopädischen Heil- und
Pflegeanstalten war, haben ihre Solidarität bekundet und
unterstütz(t)en als vollwertige Gruppenmitglieder, beratend
und mahnend die Arbeit.
Auf dieser Homepage will die „Freie
Arbeitsgruppe JHH 2006” zunächst nur dokumentieren. Wir
wollen so wenig wie nötig
und wenn möglich, nichts kommentieren. Wir finden, daß das
Material, auf dieser Homepage zusammengetragen, für sich
spricht und für sich selbst dokumentiert, was zwischen
etwa 1947 und 1967 in den
damaligen Orthopädischen Anstalten Volmarstein passiert ist.
Die heutige Evangelische Stiftung
Volmarstein, die Rechtsnachfolgerin der eben genannten
Einrichtung, hat sich
nicht schuldig gemacht!
Unsere Homepage soll nicht nur
unsere Aufarbeitungsbemühungen, sondern auch die der heutigen
Evangelischen
Stiftung dokumentieren. Aus diesem Grunde hat die FAG dem
heutigen Vorstandssprecher Jürgen Dittrich zugesagt, seine
eigenen Beiträge, Gedanken und auch Stellungnahmen auf dieser
Homepage
einzustellen.
Ein weiteres Ziel ist mit dieser
Homepage verbunden: 40 Jahre später gibt es etliche behinderte
Männer und Frauen,
die immer noch unter den Verbrechen dieser Zeit leiden. Die
vielfältigsten Leiden dieser ehemaligen Kinder sind in ihren
Kindheitserinnerungen und in ihren Schilderungen der heutigen
Situation
nachzulesen. Was sehr betroffen macht, ist allerdings, daß es
immer noch ehemalige Schüler und Schülerinnen gibt, die nicht
einmal mit ihrem Ehepartner über diese Schreckenszeit sprechen
wollen, die vor
ihren Ehepartnern diese Zeit im Dunkeln halten. Sie zu
ermutigen, ist auch Ziel dieser Homepage. Indem sie lesen, daß
sich immer mehr ehemalige Schüler und Schülerinnen, aber auch
immer mehr
ehemalige Mitarbeiter öffnen und sich trauen, über diese Zeit
zu berichten, sollen auch sie den Mut bekommen, ihr Schweigen
zu brechen.
Wie wichtig Aufarbeitung ist,
erleben wir wöchentlich, immer dann, wenn Wolfgang Möckel oder
ich mit Menschen
sprechen, die diese Zeit erlebt haben, oder wenn ich
Mitmenschen beobachte, die vor einem Jahr noch verschlossen
und völlig verängstigt waren und nun zunehmend mehr
Selbstvertrauen,
Selbstbewußtsein, Mut im Umgang mit ihrer Umwelt, im Umgang
mit Behörden aufbauen.
Noch einmal der Hinweis: Diese
Homepage ist nichts für schwache Nerven. Sollten Sie trotzdem
weiterhin auf ihr
surfen, sind Sie eingeladen, uns Ihre Empfindungen, Ihre
Gedanken mitzuteilen. Wir stellen allerdings nichts ungeprüft
ins Internet. Obszöne Ausdrücke, Beleidigungen jeder Art,
finden auf unserer
Homepage keinen Platz. Wenn Ihre Meinung aufrichtig ist, dann
finden Sie diese unter dem Button „Meinungen“ wieder.
Selbstverständlich sind wir für Kritik offen. Auch solche
Beiträge stellen wir
ein.
Freundlichst Ihre
FAGJHH2006 Helmut Jacob
(Sprecher)
im November 2006
überarbeitet 31. 01. 2008
überarbeitet 05. 02. 2008
(Zeitraum der Brutalitäten von 1953 auf 1947
berichtigt) überarbeitet 24. 03. 09 (Ableben Ulrich Bach
angemerkt) |