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Wiener Rathaus (Foto: Dierk Schäfer, Bad Boll)
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Dipl.-Theologe/Dipl.-Psychologe Dier Schäfer
“Die Seinen nahmen ihn nicht auf” Helmut Jacob: Weihnachtsgruß der “Freien Arbeitsgruppe JHH 2006” Diakon Jochen Twer: Zeitenwende?
Im Advent des Jahres 2012
Vorbemerkung
»Darf ich Sie wieder für unseren Weihnachtsgruß auf der Homepage gewinnen?« fragte mich Helmut Jacob. »Muß mal darüber nachdenken, lieber Herr Jacob.
Habe ehrlich gesagt inzwischen Hemmungen, den Opfern der Kirche etwas vom Evangelium zu erzählen«.
Doch das Evangelium ist wichtiger als die Kirche.
Weihnachten wurde schon immer auch als Asylgeschichte erzählt
Angefangen von der Flucht nach Ägypten, wie sie Matthäus beschreibt: Maria und Joseph, die Eltern des von Herodes politisch Verfolgten, entfliehen mit dem
Kind nach Ägypten, denn Herodes hat Angst um seine Macht.
Doch das Thema reicht tiefer: es geht um die friedliche Landnahme Gottes bei den Menschen. Wir sehen ihn als Bruder mit menschlichem Antlitz in Armut und Not
und wir sehen ihn am Kreuz enden, an den Rand und in den Tod gedrängt von der applaudierenden Mehrheit.
Der Evangelist Johannes beschreibt das so: UND DAS LICHT SCHEINT IN DER FINSTERNIS UND DIE FINSTERNIS HAT’S NICHT ERGRIFFEN
ER WAR IN DER WELT, ABER DIE WELT ERKANNTE IHN NICHT ER KAM IN SEIN EIGENTUM UND DIE SEINEN NAHMEN IHN NICHT AUF.
Weihnachten war schon immer eine Asylgeschichte: der Versuch eines den Menschen freundlich zugewandten Gottes bei uns Fuß zu fassen, – oft vergeblich.
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Wir haben aus der Weihnachtsgeschichte die herzige Geschichte vom göttlichen Kind in lockigem Haar gemacht und feiern eine verkitschte
„Heilige Familie“, soweit wir uns nicht überhaupt nur auf Tannenbaum, Geschenke und Weihnachts-Menü beschränken.
In der üblichen Krippenvorstellung kommt die Not nur von außen, der geizige Herbergsvater (der nirgendwo belegt ist), der Stall (auch
nirgendwo belegt), der böse Herodes (zwar belegt, aber in dieser Rolle nicht historisch). Doch ansonsten ist das Kind gut aufgenommen: Maria und Joseph knien betend davor, hoch droben singt jubelnd der
Engelein Chor.
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Für manche Kinder sieht die Realität anders aus. Sie kommen in eine Welt, die nicht die ihre ist und sich nicht auf ihre Bedürfnisse einstellt. Eltern sind Schicksal,
hatte ich eine Tagung betitelt und hinzugefügt: manchmal auch Schicksalsschläge. Ich will mich jetzt nicht weiter über familiäre Kindesmißhandlungen auslassen.
Wenn’s mit den Eltern gar nicht klappt und das amtlich wird, dann kommen manche Kinder in ein Heim, oft in ein Heim, das christlicher Tradition verpflichtet
ist. Was Kinder dort zum Teil erleben mußten, braucht hier auch nicht weiter ausgeführt zu werden.
Sie kamen jedenfalls in ihre Familie und wurden nicht wirklich aufgenommen, sondern dort und/oder im Heim in vielfältiger Weise mißhandelt und im Nachhinein
um ihre Entschädigung betrogen. Wir wissen, wer alles daran beteiligt war.
ER KAM IN SEIN EIGENTUM UND DIE SEINEN NAHMEN IHN NICHT AUF.
Genau das ist der Vergleichspunkt für viele ehemalige Heimkinder: nicht aufgenommen worden zu sein.
Es ist zugleich der Vergleichspunkt für die Täter. Sie haben bis heute nicht verstanden, daß sie mit der Geringschätzung, der Demütigung, der Ausbeutung,
den Mißhandlungen der ihnen anvertrauten Kinder, ihrem Sichdrücken um Entschädigungen und mit ihrer Heuchelei sich zu denen gesellt haben, die Gottes Botschaft nicht angenommen haben. Sie reden von Verjährung
und verweisen auf freiwillige, also großherzige Leistungen, mit denen sie nur ihre Blöße decken wollen.
Darum gilt ihnen auch nicht die Verheißung:
WIE VIELE IHN ABER AUFNAHMEN, DENEN GAB ER MACHT, KINDER GOTTES ZU WERDEN.
Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und für das neue Jahr die nötige Kraft, allen Widrigkeiten standzuhalten.
Ihr
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Weihnachtsgruß der “Freien Arbeitsgruppe JHH 2006”
Liebe Schulkameradinnen! Liebe Schulkameraden!
Liebe Unterstützer unserer Arbeit! Liebe Freunde! Liebe Besucher unserer Homepage!
Klaus Dickneite, der Sprecher unserer „Freien
Arbeitsgruppe JHH 2006“, hat mich gebeten, Grußworte an Sie/Euch zu richten.
In diesem Jahr Grüße zu formulieren, fällt mir schwer. Zu bedrückend ist der Tod von Marianne Behrs. Sie war eine
Schulfreundin und auch Mitglied unserer Arbeitsgruppe. Zwischen ihr und uns allen hat eine enge emotionale Bindung bestanden, die uns jetzt fehlt Abschied nehmen mussten wir von „Jaschko“. Auch mit ihm
verbinden sich zahlreiche Erinnerungen. In einem Nachruf habe ich versucht, aufzuzeigen, wie das Stigma „Heimkind“ sein Leben nach der Kindheit im Johanna-Helenen-Heim durcheinandergewirbelt hat. Wir wissen,
dank Wolfgang aus Holland, von 52 Schülern und 4 Diakonen, die verstorben sind. Ihrer aller gedenken wir an dieser Stelle.
Zweifellos die schönste Nachricht steht mit Marianne Behrs im Zusammenhang: „Ihr
Heim“, also das „Marianne-Behrs-Haus“, wird am 1. Dezember eingeweiht. Wir wissen, welche Überwindung es Marianne kostete, ihren Namen für dieses Haus herzugeben. Immer wieder wies sie darauf hin: „Mein
Name steht nur stellvertretend für alle anderen Opfer an der Haustür.“ Zuletzt war sie stolz auf dieses Haus. Sie sagte einmal: „So ein schönes Haus hätten wir uns damals auch gewünscht.“ Die
Arbeitsgruppe unterstützt seit Anbeginn der Planungen mit ihrer „Aktion KK“ (Synonym für „kuscheliges Kinderheim“) dieses Bauvorhaben. Genau das hat Marianne sich gewünscht: Mit den Spenden sollen
Materialien gekauft werden, die den Heimalltag gemütlich, kuschelig, anregend und vielleicht spannend gestalten. Musikinstrumente, Bücher, ein Aquarium, ein Kaninchen zum Streicheln, Musikanlagen für jedes
Zimmer, Gesellschaftsspiele, etc. Ihr großer Wunsch, dass ein wuscheliger Hund durch die Zimmer fegt, wird sicher aus Kostengründen nicht realisierbar sein. Auf jeden Fall ist schon heute ersichtlich, dass dieses
Haus ein Traumhaus für behinderte Kinder und Jugendliche wird.
Mit diesem Haus verbinden sich auch Erinnerungen an Gewalt und Verbrechen in den 50er und 60er Jahren im Haus gegenüber. Die Evangelische
Stiftung Volmarstein (ESV) – und das kann man nicht oft genug anerkennen und loben – hat beispielhaft für alle Einrichtungen der Behinderten- oder Erziehungshilfe ein Konzept des Gedenkens entwickelt. Forderte
die Arbeitsgruppe einen Gedenkstein neben dem Hartmann-Denkmal am Johanna-Helenen-Heim, oder eine Messingtafel an der Martinskirche, so sind die Überlegungen der ESV-internen Arbeitsgruppe und einer Gruppe
Auszubildender aus dem Berufsbildungswerk viel tiefgründiger. Im Eingangsbereich des Marianne-Behrs-Hauses symbolisiert eine Felsenbrücke, von der linken Wand über den Eingangsrahmen hinunter zur rechten Wand
gemalt, den Übergang von der Vergangenheit (Johanna-Helenen-Heim) in die Gegenwart (Marianne-Behrs-Haus). Um die Vergangenheit zu verdeutlichen, sollen auf großen Tafeln Kinderköpfe aus den 50er und 60er Jahren,
ohne Namen, gezeigt werden. Auf der rechten Wandseite soll ein großer Baum gemalt sein, an dem die derzeitigen Kinder gestalterisch mitwirken. Wenn diese „Erinnerungswände“ fertiggestellt sind, finden Sie
/findet Ihr auf dieser Homepage Bilder davon.
Unsere erneute Forderung nach einer Opferrente wurde im Januar 2012 noch einmal abgelehnt. Die Evangelische Stiftung Volmarstein verweist auf den
„Heimopferfonds“, in den auch die Evangelische Kirche und das Diakonische Werk eingezahlt habe. Christine Bergmann, ehemalige Vorsitzende des „Runden Tisches sexueller Missbrauch“, dazu: „Zu Recht erwarten
die Betroffenen, dass die Institutionen, die ihre Verantwortung in der Vergangenheit nicht wahrgenommen haben, wenigstens heute Verantwortung für die Taten übernehmen. Dazu gehören nach Ansicht des Runden Tisches
auch sogenannte „Schmerzensgeldzahlungen“. Der Runde Tisch betont, dass diese Maßnahmen allein den Institutionen obliegen.” Auch diese Aufforderung bleibt ungehört.
Allerdings wird der Heimopferfonds
generell abgelehnt. Dazu das Bundesfamilienministerium im Schreiben vom 14. November 2012 an mich: „Von den 2086 Vereinbarungen, die bis Mitte Oktober 2012 geschlossen wurden, sind 928 für materiellen Bedarf und
1158 für Rentenersatzleistungen.“ Weit unter 1 % haben bisher von diesem Fonds Gebrauch gemacht. Im Internet ist deutlich zu lesen, dass dieser Fonds als Beleidigung der Opfer, als erneute Demütigung, als
ungewünscht, abgelehnt wird. Zuletzt haben sich die Vertreter der Opfer von den Beschlüssen des „Runden Tisches Heimerziehung“ distanziert. Die Einrichtungen der Erziehungs- und Behindertenhilfen, die
Kirchenspitzen und die karitativen Organisationen Caritas und Diakonie werden ihre Verweigerungshaltung nicht lange weiter aufrechterhalten können.
Unsere Internetpräsenz wird mehr und mehr ein virtuelles
Dokumentationszentrum. Das beweisen die permanent ansteigenden Besucherzahlen, in 24 Stunden 300 bis 600 Aufrufe. Auf anderen HPs und in Foren werden Beiträge aus unserer HP immer wieder verwendet, die Grafiken
über die Kinderstation des Johanna-Helenen-Heims sind in einer Ausstellung zu finden. Interessant, welche Seiten angeklickt werden. So interessieren sich die Besucher für den Stand der Wiedergutmachungsleistungen,
für Publikationen von Unterstützern der Heimopfer, für die Erinnerungen unserer Schulkolleginnen und Schulkollegen. Gefragt ist auch unsere Seite über das „Marianne-Behrs-Haus“ und – das lässt darauf
schließen, dass unsere Homepage auch zu Studienzwecken herangezogen wird – zum Beispiel der Praktikumsbericht eines ehemaligen Diakonschülers.
Diese Internetplattform in diesem Umfang und in der
Beständigkeit ist sonst nur ein weiteres Mal im Internet zu finden. Ein besonderer Blog stellt der von Dierk Schäfer dar, einem Diplompsychologen/Diplomtheologen, der unablässig die Finger in die Wunden auch
seiner Kirche legt. Auch Professor Manfred Kappeler weist bei jeder Gelegenheit auf das Unrecht hin, das heute an den Opfern verübt wird. So haben die Kinder und Jugendlichen, die in den drei Nachkriegsjahrzehnten
unendlich gelitten haben und diesen Höllen entrinnen konnten, einige wenige, aber wichtige Sprachrohre.
Zum Schluss sage ich Danke.
Mein Dank geht: - an die Arbeitsgruppe, die harmonisch und mit
klarer Zielsetzung die Arbeit verrichtet. Bei allen Entscheidungen herrschte Einstimmigkeit - an die vielen Unterstützer unserer Arbeit und unserer Forderungen. Ohne Ihren Zuspruch und ohne Ihre begleitende
Kritik bliebe unsere Arbeit ohne Resonanz - an den Leiter der Lokalredaktion der Westfalenpost/Westfälischen Rundschau. Diese Zeitung greift immer wieder unser Anliegen auf Ein letzter, wichtiger Dank geht
an die Evangelische Stiftung Volmarstein. Sie hilft, individuelle Lösungen für in Schwierigkeit geratene Ehemalige zu finden und umzusetzen. Das erkennen wir dankend an.
Seien Sie / Seid Ihr alle zum
Weihnachtsfest und zum Jahreswechsel herzlich gegrüßt! Allen Kranken, Einsamen oder Verzweifelten wünschen wir tröstende Worte und mitmenschliche Umarmungen. Werden Sie wieder gesund! Bleiben Sie gesund!
Ihre „Freie Arbeitsgruppe JHH 2006“ i. A. Helmut Jacob
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