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Weihnachtsmarkt

 

Es ist schon fast dunkel, als sich Helfa, Pflegi und Bellu auf den Weg machen.

Ihr Ziel, der Weihnachtsmarkt.

Spärlich beleuchtet zieht sich die Straße, Baum-Allee, von hohen Bäumen gesäumt.  Gelegentlich rattern Autos über das lückenhafte Kopfsteinpflaster, einige mit zusätzlichem Scheppern.

Die Reifen von Pflegi's Rollstuhl sind hart aufgepumpt. Der Stuhl lässt sich dann etwas leichter schieben. Pflegi spürt so jedoch jede Stoßkante vom Straßenbelag.

Der Gehweg ist schmal. Bellu weiß nicht recht, ob er links oder rechts vom Rollstuhl laufen soll. So wechselt er häufig die Seiten. Dabei muss Helfa aufpassen, um Bellu nicht aus Versehen zu treten. Es fällt ihr eh schwer, den Rollstuhl über das Pflaster zu schieben. Immer wieder bleibt sie kurz stehen. Verschnaufen. Sie überprüft die Verschnürung des linken Hoch-Stütz-Schuhs. Meist sagt sie dann: „Auf geht's“ und schiebt wieder los.

Es ist kalt. Entfernt, leise klingen ihnen erste Töne und Gelächter entgegen. Nach der Straßenbiegung künden schwache Lichter vom nahenden Ziel.

Pflegi fragt mit geschüttelter Stimme:“Haben wir auch etwas Geld mit?“ Kurz erschreckt fühlt Helfa an die Jackentasche und antwortet erleichtert: „Du kannst eine Bratwurst essen!“

Vom Duft angelockt wird Bellu schneller. Helfa ruft ihn und befestigt ihn sicherheitshalber mit der Leine am Rollstuhl. Glühwein-Duft-Wolken hängen über dem Marktplatz.

Fröhliche Menschen, alt und jung, bilden Trauben vor den Verkaufsbuden, dem Karussell, der Eisfläche. Auch hier holpert der Rollstuhl und schüttelt Pflegi. Unruhig zieht Bellu in Richtung Bratwurstbude.

Aufmerksame Besucher bilden eine Gasse, damit Helfa mit dem Rollstuhl passieren kann. Einige drehen sich weg.

Ein kleines Mädchen staunt neugierig auf das Gefährt. „Mama, guck mal, ein Räderstuhl!“ Es vergisst das Eis in seiner Hand. Tropfen laufen über seine Hand in den Ärmel. Es kommt näher, um den Rollstuhl genauer anzusehen.

„Ist das schön, gefahren zu werden?“ „Jaaa, sonst könnte ich nicht hierher kommen“ antwortet Pflegi und knipst dem Mädchen ein Auge.

Das tropfende Eis in der Hand, kommt es näher. „Kannst Du denn nicht laufen?“ „Nein, ich kann nicht laufen, ich muss immer gefahren werden.“ Aus kurzer Distanz verfolgt die Mutter das Gespräch und nimmt dem Kind dann das Eis aus der Hand.

Jetzt, mit freien Händen, fragt es schüchtern: „Darf ich mal mit Dir fahren?“ Ohne die Antwort abzuwarten versucht es hochzuklettern.

Pflegi stimmt zu und Helfa unterstützt das Mädchen beim Klettern. Die Mutter lächelt verlegen vorsichtig. Auf der anderen Seite reicht Bellu mit seinen Pfoten gerade bis zur Armstütze des Rollstuhls. Er knurrt leise, eifersüchtig: will da jemand „meinen Platz“ einnehmen?

Helfa schiebt ein paar Meter in Richtung Bratwurst-/Glühweinstand. Die  Mutter fasst an und schiebt mit. „Mami, das ist schön, so gefahren zu werden.“ „Gefällt es Dir?“ Nach einer Weile: „So, nun steig wieder ab, die Leute wollen sicher weiter!“

Pflegi, bewegt über das aufmerksame und spontane Mädchen, strahlt vor Freude. 'Ein neues Erlebnis, tut gut, leider sehr kurz.'

Durch die Menschen bahnen sich die drei ihren Weg zum Wurststand. Alles schmeckt besser, als gewohnt. Auch Bellu erhält einen Bissen.

Der Weg zurück wirkt irgendwie kürzer. Die Gedanken an das mutige Mädchen helfen über das holprige Pflaster.

Zuhause folgt die vertraute Prozedur. Umziehen, Ausziehen, Bettgang. Nach dem Gute-Nacht-Wunsch löscht Helfa das Licht. „Es war ein ganz schöner Weihnachtsmarkt, danke“ flüstert Pflegi.                                                                                                      J. Twer '11

Liebe ehemalige Mitschülerinnen, liebe ehemalige Mitschüler!

Liebe Leser/innen dieser Homepage!

Wer die Homepage aufmerksam nach Aktualisierungen durchsucht, wird festgestellt haben, dass der Unterzeichner dieses Weihnachtsgrußes nicht mehr Gruppensprecher ist. Diese Aufgabe hat unser Klaus Dickneite übernommen, zusätzlich zu der des Pressesprechers. Herr Dickneite ist mit einem vollen Terminkalender in Sachen „ehemalige Heimkinder“, Behinderte und Integration, aber auch als Parteisoldat in seiner Heimatstadt Hannover unterwegs. Darum hat er mich gebeten, auch in diesem Jahr Sie zum Fest zu grüßen.

Das Jahr 2010 schloss mit einer Enttäuschung. Der „Runde Tisch Heimerziehung“ (RTH) beendete seine fast zweijährige Tätigkeit und gab in seinem Schlussbericht Empfehlungen an den Deutschen Bundestag, mit denen sich die wenigsten Heimopfer anfreunden konnten. Wenn überhaupt, dann sollen Mittel aus einem 120-Millionen-Opferfonds lediglich für Therapien ausgegeben werden und dies auch nur dann, wenn das Opfer nachweisen kann, dass es noch heute unter der damals erfahrenen Gewalt und dem Missbrauch leidet. Ein geringer Teilbetrag soll eventuelle Rentenausfälle ein wenig kompensieren. Schon jetzt wollen die Länder 10 Prozent dieses Opferfonds abgreifen und damit die Infrastruktur zur Verwaltung der Antragsstellen finanzieren. So werden die Leistungen ein weiteres Mal reduziert. An eine Opferentschädigung, an Schmerzensgeld, an Wiedergutmachung, an eine Opferrente, an einen finanziellen Ausgleich für ein Leben auf Sozialhilfeniveau - durch Gewaltmaßnahmen und entzogener Schulausbildung verursacht - ist nicht gedacht. Der RTH unter ehemaligem Vorsitz von Frau Antje Vollmer hat sich nicht einmal getraut, die Täterseite (Rechtsnachfolger der Heime und Träger) in die Pflicht zu nehmen und sie zu Wiedergutmachungsleistungen aufzufordern. Erst jetzt wird immer mehr ehemaligen Heimkindern bewusst, dass sie vom RTH über den Tisch gezogen wurden und die dort tätig gewesenen Opfervertreter ebenso.

Die Enttäuschung setzte sich insbesondere für uns und uns nahestehende Mitstreiter am 12. Mai dieses Jahres fort. Es hat lange gedauert, bis Pfarrer Jürgen Dittrich, Vorstandsmitglied der Evangelischen Stiftung Volmarstein, Klartext schrieb:

“Eine einseitige und nur durch die Evangelische Stiftung Volmarstein zu tragende monatliche Opferentschädigung über das bisher freiwillig von der Evangelischen Stiftung Volmarstein Geleistete hinaus, wie Sie es in Ihrem Brief formulieren, kann ich Ihnen nicht in Aussicht stellen.”

Damit wischte er unsere Forderungen nach Beteiligung an einer Opferrente und nach Mitwirkung an der Sicherung unseres Lebensabends vom Tisch. Wir müssen festhalten: Dieses Abwimmeln unserer Forderungen geschah in ähnlicher Weise auch durch den Bürgermeister der Stadt Wetter, Frank Hasenberg, der bis heute leugnet, dass in Volmarstein ein Jugendamt bestand und schlußfolgernd auch keine Aufsichtspflichtsverletzung seitens der Stadt Wetter erkennt. Ennepe-Ruhr-Kreis und die Landschaftsverbände wimmelten ebenso ab und verwiesen, wie auch die Kirchen und die Diakonie, auf den Opferfonds.

Unverständlich ist diese Absage aber seitens der Rechtsnachfolger des Heimes, in dem täglich und mehrfach Verbrechen an Kleinkindern und Schulkindern verübt wurden. Unverständlich ist die Absage auch darum, weil nicht nur wir, sondern auch zwei anerkannte Historiker diese Verbrechen physischer und psychischer Art und auch sexuelle Missbräuche dokumentiert haben. Unverständlich ist diese Absage auch darum, weil sie aus der Feder eines Pfarrers stammt, der damit wider das Evangelium handelt.

Mutig in ihren Forderungen ist Christine Bergmann, die in diesem Herbst ihre Arbeit am „Runden Tisch sexueller Missbrauch“ beendete. Sie forderte unmissverständlich:

„Genugtuung und Anerkennung liegt in der Zuständigkeit der jeweiligen Institution, in der der Missbrauch stattgefunden hat, jedoch unter Einhaltung verbindlicher Standards:

  • Verpflichtung, dass auf Wunsch von Betroffenen einmalig eine angemessene Anerkennungssumme gezahlt wird, Orientierung an gerichtlich erzielbarem Schmerzensgeld zum Zeitpunkt des Missbrauchs
  • Sicherstellung, dass Institutionen auf Wunsch von Betroffenen diese in
    geeigneter Form um Verzeihung bitten
     
  • Erarbeitung einer „Wiedergutmachungskomponente“ für erlittene
    wirtschaftliche Nachteile (z.B. rückwirkende Übernahme von Therapiekosten)
     
  • Prüfung der Anträge Betroffener durch ein Gremium, dessen Vorsitz eine von der Institution unabhängige Person innehat (Verfahrensanforderungen sollten „Gemeinsamem Hilfesystem Rehabilitation“ entsprechen)“

Damit fliegt der Ball zurück zur Evangelischen Stiftung Volmarstein. Sexuellen Missbrauch in verschiedensten Facetten haben auch im Johanna-Helenen-Heim und anderen Häusern, in denen Kinder untergebracht waren, Kinder und Jugendliche erfahren. Wer diese Forderungen von Frau Bergmann nicht analog auch auf die ehemaligen Heimkinder in der Erziehungshilfe oder in der Behindertenhilfe angewandt sehen will, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, unmoralisch zu sein.

Damit fliegt der Ball aber auch zurück an die Stadtverwaltung Wetter, die Kreisverwaltung Schwelm, die Landschaftsverbände, das Diakonische Werk und die Evangelische Kirche. Sie alle sind gefordert, endlich für ihr Versagen zu haften und ihren Opfern – in diesem Fall den Opfern von Volmarstein – Wiedergutmachung zu leisten. Ein „Sorry“ angesichts der Fülle der Verbrechen und angesichts der jahrelangen Verharmlosung dieser Verbrechen reicht längst nicht mehr.

Die ehemaligen Heimkinder – dies ist in diesem Jahr zu beobachten – werden weiter für die ihnen zustehende Genugtuung auf die Straße gehen und in Internetportalen schreiben. So zog eine kleine Gruppe vor wenigen Tagen vor das Gebäude des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe in Münster und mahnte bisher leeren Worten des LWL-Direktors Wolfgang Kirsch endlich Taten an.

Weihnachtlich ist der „Freien Arbeitsgruppe JHH 2006“ nicht zumute. Zu sehr wurde sie in diesem Jahr von Nachfolgern der Täter erneut gedemütigt.

Grund zur Freude und zum Dank gibt es dennoch. Unsere Arbeitsgruppe funktioniert nach wie vor harmonisch; die einzelnen Mitglieder stützen sich gegenseitig und wirken an einer gemeinsamen Linie mit. Freude und Dank empfinden wir auch dafür, dass der evangelische Theologe im Ruhestand Dierk Schäfer sich auch in diesem Jahr auf die Seite der Opfer gestellt hat. Er hatte es nicht immer leicht, wurde in seinem Blog manchmal gar von Opfern angegriffen. Natürlich weiß er, dass bei vielen Ehemaligen noch heute die Dressur der Selbst- und Überlebensverteidigung durchbricht. Ein falscher Begriff, und verbale Ellenbogen schlagen undifferenziert und unqualifiziert um sich. Dankbar müssen wir auch Professor Manfred Kappeler sein, der immer wieder die selbstverständlichen Forderungen der Opfer in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, der ungeschminkt und für jeden verständlich seine Finger in die Wunden des Versagens der Täter und ihrer Institutionen legt.

So haben wir doch Hoffnung, dass eines Tages die Verwalter der „Geschichte der Verbrechen“ erkennen:

„Vergangenheitsbewältigung ist nur dann glaubhaft, wenn man bereit ist, für die Opfer auch Opfer zu bringen.“

Diese Mahnung von Dierk Schäfer umgesetzt bedeutet auch, dass die heutigen Rechtsnachfolger durch geeignete Maßnahmen den ruinierten Ruf wieder sanieren können.

Dank schulden wir auch Ihnen, die Sie unsere Arbeit in der Form begleitet haben, dass Sie unsere Homepage immer wieder besucht und auf Aktualisierungen überprüft haben. Erinnern Sie sich noch daran, dass wir zu Beginn unserer Arbeit die Evangelische Stiftung Volmarstein zu einem Buch aufforderten? Das Buch kam, aber nur in 500facher Ausfertigung. Es ist bedauerlich, dass es nicht jedem Mitarbeiter der Evangelischen Stiftung Volmarstein und angehenden Pädagogen zur Verfügung gestellt wird. Aber, die Frage zielt in eine andere Richtung. Sicher haben Sie das Leid des kleinen Mädchens gelesen, dem in der Weihnachtszeit zu all den anderen Grausamkeiten ihre geliebte Puppe auf dem Boden zertreten wurde. Mit Ihnen waren es 8.791 Personen, die diese Geschichte der kleinen Marianne anklickten. Das ist ein Buch mit 16 Neuauflagen.

Das beste Buch der FAG JHH 2006 ist darum unsere Homepage. Bitte bleiben Sie uns weiterhin treu. Bitte berichten Sie über die ehemaligen Heimkinder von Volmarstein und bitte unterstützen Sie alle Opfer, die in den Nachkriegsjahrzehnten in kirchlichen und staatlichen Heimen Gewalt erlitten haben, bei der Durchsetzung ihrer selbstverständlichen Forderungen.

Ihnen und Ihren Angehörigen, Dir liebe ehemalige Schulkameradin, Dir lieber ehemaliger Schulkamerad, wünschen wir besinnliche aber auch fröhliche Weihnachten. Wer krank ist, möge schnell wieder gesund werden. Den inzwischen Verstorbenen wollen wir ein Andenken in unseren Herzen bewahren.

Für das Jahr 2012 wünschen wir Mut und Hoffnung!

Herzliche Grüße

Helmut Jacob

Dierk Schaefers Blog

Schaut Gott nur zu?

Veröffentlicht in heimkinder, Kirche, Pädagogik, Psychologie,Theologie von dierkschaefer am 28. Dezember 2011

» Und wieso klagt eigentlich niemand darüber, dass der Boss aller Religionisten der alles sieht und die Macht hat es zu verhindern, es nie verhindert hat. Da wurden und werden Kinder über mehrere Jahre auf bestialischste Weise vergewaltigt und gefoltert. Und der oberste Boss aller Religionisten schaut tatenlos zu«.

 

Kommentare wie dieser sind natürlich für einen Theologen eine Herausforderung.

Eine Herausforderung, weil sich ein Großteil meiner Pfarrerskollegen der Herausforderung nicht gestellt hat, die sie eigentlich unter dem Begriff „Theodizee-Problem“ kennen.

Das Problem ist ein uraltes in allen Religionen, in denen Gott die Eigenschaften von Allmacht, Gerechtigkeit und Liebe zugeschrieben werden. Angesichts des vielen unverschuldeten Elends in der Welt und auch all der Ungerechtigkeiten kann Gott nicht problemlos zugleich als allmächtig, gerecht und liebend gedacht werden.

Die Theologie hat verschiedene Problemlösungen gefunden, von denen alle die, die das Leiden der Menschen bagatellisieren, begründen, rechtfertigen oder instrumentalisieren, lieblos sind.

Im Alten Testament werden Leiden und Unglück des Volkes Israel durchgängig als Strafe für seine Sünden angesehen. Gott ist also der Schwarze Pädagoge seines Volkes. Ob jüdische Theologen auch den Holocaust so interpretieren, weiß ich nicht. Doch immerhin hat man sich vorher schon Gott als einen vorgestellt, der mit der Sintflut sozusagen einen nassen Holocaust inszeniert hat, effektiver als den der der Nazis. Auch die Geschichte von Sodom und Gomorrha transportiert dieses Bild der Menschen von Gott.

Während anscheinend kollektives Unheil als Gottes Kollektivstrafe akzeptiert werden konnte, tauchte das Problem des „Leidens des Gerechten“ auf. Wie kann es sein, daß ein vorbildlicher und gottesgläubiger Mensch ins Unglück gerät, während mancher Schurke ungestraft des Lebens Fülle genieß? Das Buch Hiob ist die unzureichende Antwort auf diese Frage: „Wer bist du, Mensch, daß du mit mir, Gott, rechten könntest?“

Eigentlich müßte sich jeder, dem nicht nur das eigene Unglück nahegeht, mit Fragen von ausbleibender Gerechtigkeit beschäftigen, nicht nur die Theologen oder sonstwie religiös gebundene Menschen. Zum religiösen Thema wird es erst durch die Vorstellung, die wir, jeder für sich, von Gott haben. In der Notfallseelsorge wird das Thema natürlich vordringlich. Als ich in diesem Zusammenhang mein  Nachtcafe publizierte, schrieb mir ein Kollege: „Und wenn nun Gott ein solcher [ein Schwarzer Pädagoge] ist?“ Ich antwortete ihm: „Dann rücken alle wir beim Jüngsten Gericht auf der Anklagebank etwas zusammen; damit ER auch noch Platz hat.“

Die christliche Theologie hat den leidenden Menschen als menschgewordenen Gott verstanden. Das Bild des Gekreuzigten half vielen Menschen, das eigene Leid zu relativieren. Doch das hilft nicht immer und nicht jedem. Und der Versuch, einem Anderen sein Leid gering zu reden, ihm einen Sinn zu unterstellen oder es gar zu rechtfertigen, ist herzlos. Hier treffen sich Theologie und Kriegerdenkmäler, zuweilen ist bei letzteren das „Vaterland“ an die Stelle Gottes getreten, auch „Sozialismus“ und „Kommunismus“ eignen sich als Sinnstifter.

Ich denke, das Theodizee-Problem läßt sich nicht lösen. Fruchtbarer ist es, nach den Sinngebern des Leides zu fragen. Es ist legitim und hilfreich, sein eigenes Leid in einen sinnstiftenden Zusammenhang einzuordnen. Wer mir jedoch einen Sinn für mein persönliches Leid unterjubeln will, hat entweder keine Ahnung davon, wie ich leide, oder weiß sich in seiner Hilflosigkeit angesichts meines Leides nicht anders zu helfen, oder er ist herzlos. Im schlimmsten Fall ist er selber der Schwarze Pädagoge, der sich nur hinter Gott als Schwarzen Pädagogen versteckt und in dessen Namen zuschlägt. Die „Schläge des HErrn“ sind immer die Schläge der Herren [es können auch Damen sein]: der Herren über Andere, im schlimmsten Fall Schläge der Herren für die Schutzbefohlenen.

Diese Perversion von Gerechtigkeit und kindeswohlorientierter Zuwendung haben viele ehemalige Heimkinder erlebt und machen nun fälschlicher- aber verständlicherweise nicht nur  die Herren verantwortlich, sondern auch den HErrn.

Es sollte klar sein, daß die Vorstellung von Gott als Herren und Herrscher unserer Zeit nicht mehr gerecht wird. Doch an das Thema trauen sich die meisten Theologen nicht ran, nicht zuletzt, weil sie von verbissen-Gläubigen dafür geprügelt würden.